Im Wald. Eine Frau aus der Wichí-Gemeinde sammelt Chaguar-Pflanzen zur Herstellung von Textilien

"La Escucha oder Die Winde": Spuren aus dem Gran Chaco

Ausstellung ifa-Galerie Berlin, 22.10.2020–24.01.2021

Berlin, 15.10.2020 – Im Norden Argentiniens, in einem Teil des Gran Chaco, wurde die neue Ausstellung der ifa-Galerie Berlin entwickelt. Sie vereint Akteurinnen und Akteure aus Forschung, Kunst und Kunsthandwerk, zivilgesellschaftlicher und Vermittlungsarbeit, um Wissen und Praktiken auszutauschen und Prozessen der Dekolonisierung Raum zu geben. Textilien, Keramiken, Zeich-nungen, Soundscapes und Videoinstallationen machen Dialoge zwischen verschiedenen Zeiten und Erinnerungen sichtbar und laden dazu ein, die Verbindungen und Grenzen zwischen Natur und Kultur zu überdenken. Das Aufeinandertreffen unterschiedlicher Naturverständnisse eröffnet eine Debatte über die Zukunft: Ist die Natur für uns ein Produktionsmittel oder ein Ganzes, zu dem auch der Mensch gehört?

Der Gran Chaco – grenzüberschreitender Kultur- und Widerstandsraum

Der Gran Chaco, wie er heute von einem Großteil der dort lebenden Menschen genannt wird, er-streckt sich über eine Fläche von mehr als einer Million Quadratkilometern. Er umfasst einen Teil Nordargentiniens, Südostboliviens, Westparaguays und Teile Südwestbrasiliens. Die Region wider-setzt sich bis heute, durch nationale Grenzen zerteilt zu werden und leistet so einen leisen Wider-stand. In der argentinischen Chaco-Region wurden kleine Städte in der Nähe von Erdöl- und Erdgasförderanlagen errichtet, wodurch die ortsansässigen Pueblos Originarios vertrieben und ihre Prä-senz und Rechte lange Zeit verleugnet wurden. Das einheimische Waldland wurde durch diesen Prozess zerstört; alternative Formen des Verständnisses von Leben und Natur konnten aber von den Gemeinden bis heute verteidigt werden. Der Nachhall dieser Erinnerung wird immer noch von dem Wind getragen, den viele Menschen zu hören und zu übersetzen wissen.

Die Kuratorin

Andrea Fernández lebt in Tartagal, einer Stadt unweit des Dreiländerecks von Argentinien, Bolivien und Paraguay, wo sie seit fünf Jahren mit indigenen Frauen zu weitergegebenem Wissen arbeitet und den Aufbau der territorialen und kulturellen Selbstverwaltung begleitet. Dabei verknüpft sie künstlerische Praktiken mit Projekten der sozialen Ökonomie. Ihr kuratorischer Ansatz bringt dem Kunst-handwerk und der Vermittlung gewidmete Kollektive aus verschiedenen Gemeinschaften mit Kunst-schaffenden und Forschenden unterschiedlicher Herkunft zusammen, die ebenfalls in der Region leben. Dieser Prozess stellt das Zuhören als eine notwendige Handlung in den Vordergrund. In kleinen Gesten manifestiert sich das kollektive Gedächtnis, um die Zukunft zu denken und zu gestalten.

Kollektive verteidigen Lebensraum, Identität und Kulturerbe

Das Gemeinschaftsradio "La Voz Indígena" (Die indigene Stimme) der Stadt Tartagal ist ein von Frauen geleitetes Kollektiv, das für die Verteidigung des Territoriums und der Kosmogonien der Ahnen kämpft. Ein Teil des Archivs wird im Dialog mit Mariana Ortega, einer Aktivistin und Lehre-rin aus der Stadt Tartagal, die das Radiokollektiv seit mehreren Jahren begleitet, zusammengestellt. Der Prozess wurde unterstützt von der Filmemacherin Daniela Seggiaro und der Komponistin Cecilia Castro.

Das Kollektiv "Orembiapo Maipora" mehrerer Chané-Keramikerinnen wird von der Künstlerin und Keramikdozentin Florencia Califano begleitet. Ihre Arbeiten aus Ton stellen die Tiere dar, mit denen sie zusammenleben.

Der von der Frauenorganisation ARETEDE ins Leben gerufene "Taller de Memoria Étnica" (Ethnic Memory Workshop) hat die Oral History eines Toba-Kriegers und Anführers untersucht: Taikolic, der den Widerstand gegen die Besatzung dieser Region anführte. Studierende des Instituto Terciario Nº 6029 Tartagal bringen diese aus der offiziellen Erzählung ausgeklammerte Geschichte zur Auf-führung. Der Regisseur Brayan Sticks begleitete sie und drehte gemeinsam einen Film über diese Recherche.

Die Wichí-Weberinnen aus dem Kollektiv "Thañí" fertigten Textilarbeiten im Austausch mit dem Künstler Guido Yannitto. Gemeinsam erforschen sie einen neuen Maßstab für ihre Webarbeiten und verbinden Bilder, die Abstraktionen und Karikaturen der Formen der Natur sind, der sich die Frauen als Töchter des Waldes und des Flusses zugehörig fühlen

"La Escucha oder die Winde" zeigt auch eine Textilarbeit des Künstlers Carlos 'Pajita' García Bes, der sich im 20. Jahrhundert mit dem Wissen der Vorfahren und ihrer Weitergabe von Legenden und Ritualen beschäftigte.


Transdisziplinäres Ausstellungsprojekt "Untie to Tie": Fokus Umwelt

Mit dem transdisziplinären Projekt "Untie to Tie" lädt die ifa-Galerie Berlin zu einem Diskurs über koloniale Vermächtnisse, Bewegung, Migration und Umwelt ein. Der neue Programmschwerpunkt "Umwelt" stellt künstlerische und kollektive Positionen vor, die sich mit der Frage auseinandersetzen, wie wir von Gemeinschaften weltweit lernen können, unsere Beziehung zur Umwelt anders, verantwortungsvoll zu gestalten. Sie thematisieren die Zerstörung von Ökosystemen und zeigen lokale Formen des Widerstands, des Lernens und künftiger Erinnerungen. www.untietotie.org

Weitere Informationen

Ausstellungseröffnung

Donnerstag 22.10.2020, 14.00–22.00

Adresse und Öffnungszeiten

ifa-Galerie Berlin
Linienstraße 139/140
10115 Berlin
Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag, 14.00–18.00
Montags und an Feiertagen sowie vom 22.12.2020 bis zum 4.1.2021 geschlossen
Eintritt frei

Informationen zur Ausstellung

Ev Fischer, +49 (0)30 284491 57, ifa-galerie-berlin@ifa.de  

Pressekontakt

Guido Jansen-Recken, +49 (0)30 284491 19, presse@ifa.de

Über das ifa

Das ifa (Institut für Auslandsbeziehungen) ist Deutschlands älteste Mittlerorganisation und feierte 2017 sein 100-jähriges Bestehen. Es engagiert sich weltweit für ein friedliches und bereicherndes Zusammenleben von Menschen und Kulturen. Das ifa fördert den Kunst- und Kulturaustausch in Ausstellungs-, Dialog- und Konferenzprogrammen und agiert als Kompetenzzentrum der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik. Es ist weltweit vernetzt und setzt auf langfristige, partnerschaftli-che Zusammenarbeit.

Das ifa wird gefördert vom Auswärtigen Amt, dem Land Baden-Württemberg und der Landes-hauptstadt Stuttgart. www.ifa.de